Die Rauhnächte, auch zwölf Nächte, Glöckelnächte, Innernächte oder Unternächte, bilden eine Zeit um den Jahreswechsel, der im europäischen Brauchtum eine besondere Bedeutung beigemessen wird. In der Regel handelt es sich um die zwölf Tage vom Weihnachtstag (25. Dezember) bis zum Fest der Erscheinung des Herrn (6. Januar), gelegentlich auch um andere Zeiträume wie diejenige zwischen dem Thomastag und Neujahr. In einigen Regionen wird die Thomasnacht nicht mitgezählt. Gemäß dem Volksglauben zogen sich die stürmischen Mächte der Mittwinterzeit in der Nacht auf den 6. Januar zurück, während “die Wilde Jagd” am Ende der Rauhnächte zur Ruhe ging. Die zwölf Rauhnächte waren nach einer Bauernregel gemäß der pauren practick entscheidend für das Wetter in den zwölf Monaten des neuen Jahres.
Die Anzahl der Rauhnächte variiert je nach Region zwischen drei und zwölf Nächten. Die vier wichtigsten Rauhnächte sind:
Die Etymologie des Begriffs “Raunacht” ist umstritten. Einer Hypothese zufolge stammt er vom mittelhochdeutschen Wort “rûch” ab, was ‘haarig’ bedeutet. Dieser Begriff wird heute noch in der Kürschnerei als “Rauware” oder “Rauchware” für Pelzwaren verwendet. Man nimmt an, dass er sich auf mit Fell bekleidete Dämonen bezieht, die in diesen Nächten ihr Unwesen treiben, oder möglicherweise auf Rituale rund um das Nutzvieh.
Eine alternative Erklärung für den Begriff “Raunacht” leitet sich vom traditionellen Räuchern der Ställe mit Weihrauch durch den Priester oder den Hofbauern ab. Diese Interpretation ist ebenfalls alt; bereits Johannes Boemus (1520) und Sebastian Franck (1534) berichteten über das Räuchern: „Die zwolff naecht zwischen Weihenacht und Heyligen drey Künig tag ist kein hauß das nit all tag weiroch rauch in yr herberg mache / für alle teüfel gespenst vnd zauberey.“
Je nach Präferenz für die erste oder zweite Deutung wird die jeweils andere als sekundäre Umdeutung betrachtet. Die Bezeichnung “Glöckelnächte” bezieht sich auf das “Glöckeln”, das Tür zu Tür gehen und Anläuten als einen Brauch des Einkehrens.
Der Ursprung dieses Brauchs liegt vermutlich in der Zeitrechnung nach einem Mondjahr. Ein Jahr mit zwölf Mondmonaten umfasst nur 354 Tage. In allen einfachen “nicht-interkalierenden Lunisolarkalendern” (Mondkalendern, die keine Schaltmonate in mehrjährigem Rhythmus verwenden, um mit dem Sonnenjahr in Übereinstimmung zu bleiben) werden die fehlenden elf Tage, beziehungsweise zwölf Nächte, als “tote Tage” betrachtet. Diese Tage existieren “außerhalb der Zeit”, insbesondere außerhalb der Mondmonatsrechnung.
Es wird oft angenommen, dass an solchen Tagen in Mythologien die Gesetze der Natur außer Kraft gesetzt seien und daher die Grenzen zu anderen Welten fallen. In vielen Kulturen, die ein solches Kalendersystem verwenden, ist dieser Zeitraum häufig mit Ritualen und Volksbrauchtum verbunden. Es wird auch vermutet, dass die Bräuche um die “Winterauskehr” am Ende des Faschings in diesem Kontext stehen, da sie eine Interkalation bezüglich des Jahresbeginns mit der Frühlingstagundnachtgleiche darstellen.
Im Frühchristentum war das Geburtsfest Christi unbestimmt. Erst 354 n. Chr. gibt es die erste schriftliche Überlieferung, dass in Rom ein heidnisches Fest am 25. Dezember gefeiert wurde. Offensichtlich war dieser Brauch im römischen Reich eng mit dem Kaiserkult verbunden. Im 19. Jahrhundert entstand die Theorie eines vorchristlichen germanischen Sonnenwendfestes, von dem behauptet wurde, es sei von der Kirche mit christlichen Bräuchen überlagert worden. Kontrovers ist, ob die Germanen um die Wintersonnenwende - also ab dem 21. Dezember - ein Julfest feierten. Historisch belegbare schriftliche Zeugnisse existieren in Form von Kalenderstäben mit Runenzeichen. Es ist unstrittig, dass das Wort “Julfest” vor der Christianisierung in Gebrauch war. Die Kirche versuchte vergeblich, das Wort durch andere Begriffe zu ersetzen (Altnordisch: “Dróttins burðar tíð”, Altschwedisch: “gudz födzlo hötidh”). Die meisten Belege stammen aus christlicher Zeit, daher ist es schwierig, ein Bild der verschiedenen Feste zu erhalten, einschließlich der “Nacht der Mütter” bei den Angelsachsen.
Die Raunächte sind eine Periode, die seit der frühen Neuzeit für Geisteraustreibung oder -beschwörung, den Kontakt mit Tieren oder wahrsagerische Praktiken geeignet sein soll.
Die Kalikanzari (griechisch: καλικάντζαρος, καλικάντζαροι [Pl.]) sind bösartige Kobolde. Sie sägen in der Unterwelt am Weltenbaum. Sie erscheinen während der Zeit von der Wintersonnenwende für zwei Wochen an der Oberfläche und bringen den Menschen Ärger.
Wahrscheinlich wurde die Zeit an die Zeit von Christi Geburt vom 25. 12. bis 6. 1. angepasst. In dieser Zeit stagnieren die saisonalen Veränderungen des Sonnenstandes. Die Wintersonnenwende wurde ursprünglich als Phase des „Sonnenstillstands“ (griechisch: Ηλιοστάσιο) verstanden. Nach den zwei Wochen müssen die Kobolde wieder zurückkehren. In ihrer Abwesenheit heilt der Weltenbaum. Diese Sage ist in ganz Südosteuropa verbreitet.
Zur Mitte der Zwölfnächte, nämlich zu Silvester, soll die Wilde Jagd aufbrechen. In dieser Zeit steht das Geisterreich offen, und die Seelen der Verstorbenen sowie die Geister haben Ausgang. Dämonen können Umzüge veranstalten oder mit der Wilden Jagd durch die Lande ziehen. Bis in die jüngere Zeit war in weiten Teilen Europas der Glaube verbreitet, dass zauberkundige Menschen, die einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatten, sich zu dieser Zeit in Werwölfe verwandelten und in dieser Gestalt Mensch und Vieh bedrohten, etwa im Baltikum, in Westdeutschland, speziell in der Eifel und den benachbarten Ardennen oder in Bulgarien.
Diese Vorstellung spiegelt sich in den Perchtenläufen des Alpenraums wider. Eine andere Form der Perchten, aber regional davon getrennt und eigenständig, sind die Glöckler. Auch der Brauch, zu Silvester Lärm zu erzeugen (Silvesterfeuerwerk), sollte die Unholde fernhalten, im Alpenraum wird in allen Raunächten auch geböllert. In Norddeutschland ist bis heute das Rummelpottlaufen verbreitet.
Angeblich sind die Raunächte auch für das Befragen von Orakeln geeignet. Im Silvesterbrauchtum wird dieser Glaube – wenngleich in erster Linie aus Geselligkeit – in Form des Bleigießens oder auch des Wachsgießens bis heute weiter gepflegt. Der Zwiebelkalender dient der Wetterprognose. Tiere im Stall sollen um Mitternacht mancher Raunächte die menschliche Sprache sprechen und über die Zukunft erzählen – wer die Tiere allerdings sprechen hört, stirbt unmittelbar danach. Mancherorts dürfen sich die Tiere bei einem Hausgeist (als Einbruch der Heidenwelt in die Christfestlichkeiten, aber auch in einer christianisierten Entsprechung) über ihren Herrn beschweren: Hat er sie im letzten Jahr schlecht behandelt, wird er bestraft.
Im 19. Jahrhundert galten die Raunächte für unverheiratete Frauen als eine Gelegenheit, um Mitternacht an einem Kreuzweg oder einem anderen magischen Ort ihren künftigen Bräutigam zu sehen. Seine Gestalt erschien dann und ging schweigend vorüber, und das Mädchen durfte ihn weder ansprechen noch ihm nachschauen, weil dies den Tod bedeutet hätte (Bretagne, Wales, Schottland).
In Oberösterreich wird der Spruch überliefert: D’ Raunacht sand vier, zwoa foast und zwoa dirr – „Der Raunächte sind vier, zwei feist und zwei dürr“ – „feiste“ Tage mit reichhaltigem Essen sind die Wintersonnenwende/Thomasnacht und der Dreikönigstag, „dürre“ Tage, also Fastentage, sind der Heiligabend und der Silvestertag.
In Südtirol wird in ländlichen Gebieten als dritte Raunacht die sogenannte Kinignåcht (Könignacht, mit Bezug auf Dreikönig) samt dem ihm vorausgehenden Kinigåbend begangen.
In Bayern werden die Raunachtsbräuche traditionell am 5. Januar begangen, wenn das Raunubedln durchgeführt wird: Man geht von Haus zu Haus und bekommt Krapfen und Kleingeld. Dabei wird von den Raunachtbettlern (meist Kinder und junge Erwachsene, die sich unkenntlich machen) vor jedem Haus ein Spruch aufgesagt: Heid is d’Raunacht, wer hods aufbrocht? A oida Mann is über Stiag oigrocha, hod se Birei und Borei brocha! Kropfa raus! Kropfa raus! Sunst stech ma enk a Loch ins Haus – „Heute ist die Rauchnacht. Wer hat sie aufgebracht? Ein alter Mann ist über die Treppe gekrochen, hat sich die Wirbel und Gebeine gebrochen! Krapfen raus! Krapfen raus! Sonst stechen wir euch ein Loch in das Haus.“
Die vier bedeutenden Raunächte wurden an vielen Orten als derart gefährlich betrachtet, dass sie mit Fasten und Gebet begangen wurden. Im Haus durfte keine Unordnung herrschen, keine weiße Wäsche durfte auf der Leine hängen (da die Reiter sie stehlen würden, um sie dann im Laufe des Jahres als Leichentuch für den Besitzer zu verwenden). Es durften keine Wäscheleinen gespannt werden, da sich darin die Wilde Jagd verfangen könnte. In einer anderen Version ist dies insbesondere (jüngeren) Frauen untersagt. Durch das Aufhängen von weißer (Unter-)Wäsche würde die Wilde Jagd angelockt, und dann würde sie über diese Frauen “herfallen”. Frauen und Kinder sollten nach Einbruch der Dunkelheit auch nicht mehr alleine auf der Straße sein. Darüber hina
us durfte nicht Karten gespielt werden. In manchen Gegenden des Ostalpenraums wurden diese Vorschriften von Perchten überwacht. Die sogenannte Roggenmuhme, auch „Rockenmör“, bestraft die faulen Mägde, die in den Zwölfnächten ihre Spinnrocken nicht abgesponnen haben.
Auch heute noch verzichten einige Menschen zwischen Weihnachten und Neujahr auf das Wäschewaschen, oft ohne den genauen Hintergrund dieses Brauchs zu kennen.
Die Rauhnächte sind eine traditionelle Zeitperiode in einigen europäischen Kulturen, insbesondere im deutschsprachigen Raum. In diesen Nächten zwischen der Wintersonnenwende und dem Dreikönigstag (25. Dezember bis 6. Januar) werden verschiedene Bräuche, Rituale und Vorstellungen gepflegt. Der Begriff “Rauhnächte” bezieht sich auf die Vorstellung, dass in dieser Zeit die Grenzen zwischen den Welten dünn sind und übernatürliche Ereignisse eintreten können.
In anderen Ländern gibt es ähnliche Konzepte, jedoch mit unterschiedlichen Namen und oft auch verschiedenen Bräuchen. Hier sind einige Beispiele:
England: Die Twelve Days of Christmas (Zwölf Tage von Weihnachten) entsprechen teilweise den Rauhnächten. In einigen Regionen gibt es auch den Brauch des “Mummers Plays” während dieser Zeit.
Skandinavien: In Schweden sind die sogenannten “trettonhelgen” (Dreizehnerwochenende) eine Zeit zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag, die Ähnlichkeiten mit den Rauhnächten aufweist.
Irland: Ähnliche Vorstellungen von übernatürlichen Ereignissen und Geistererscheinungen während der zwölf Nächte zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Bräuche und Vorstellungen je nach Kultur variieren können.